Wintergedanken 2

Wintergedanken 2

Die Welt ist eingefroren! Draußen ist es klirrend kalt, ich schliddere und stolpere auf der Hunderunde über das Eis auf den Wegen und der scharfe Nordwind beißt in mein Gesicht. Niemand sonst ist zu sehen, der Wald ist wie ausgestorben. Der Nachbar hat sich vor ein paar Tagen beschwert: alles weiß, keine Farben mehr! Und tatsächlich: eine dicke, dämpfende Schneedecke hat sich über die ganze Welt gelegt. Es fehlt das Leben. Viele Pflanzen verstecken sich im Boden oder haben die Blätter abgeworfen, Säfte und Kräfte eingestellt. Alles ruht, wartet ab, hält den Atem an.
Die Natur zieht sich zurück, sammelt Kräfte. Jeder Neuaufbruch, jede Veränderung braucht zuvor diese Zeit der Rückbesinnung auf sich selbst. Wie eine Raupe, die sich zur Puppe verspinnt. Dann braucht es Ruhe, damit daraus ein Schmetterling wird. Das kann man nicht beschleunigen oder abkürzen. Nur abwarten.
In unserer schnelllebigen Zeit haben wir verlernt zu warten. Wartezeiten werden genutzt, gefüllt, überbrückt. Der Blick aufs Handy, das Weiterzappen und -klicken macht es uns leicht. Wir haben sie verlernt, die Rückbesinnung, das Auskommen mit uns selbst, auch das Raum-Schaffen für Gottes Stimme. Dabei erleben wir es in jedem Winter, in jeder Nacht: Erholung muss sein. Nichts tun. Zweckfrei.
In diesen Wochen geht es nicht nur der Natur so. Das öffentliche Leben, die Arbeitswelt und viele private Bereiche sind heruntergefahren. Überall Stillstand. Isolation, Eindämmung oder eingeschränkter Zugang – Winterschlaf.

Die Welt ist eingefroren

Vielleicht braucht die Welt den Lockdown, damit es nicht zum Kollaps kommt. Wir müssen wieder lernen, dass es nicht immer weiter vorwärts geht. Sich nach innen wenden ist Selbstfürsorge…
“Viele Winter und viele Sommer sah ich kommen und gehen. Geduld nur, Geduld! Der Frühling ist nah.” raunt Tomte Tummetott den Tieren in Astrid Lindgrens Wintermärchen zu. Obwohl ich es immer wieder fast unvorstellbar finde, kommt nach jedem Winter ein Frühling. Wie nach jeder Nacht – so dunkel sie auch ist – ein neuer Morgen anbricht. Es bleibt nicht alles eingefroren! Es gibt Hoffnung! Ich träume von der warmen Sonne und dem Gras zwischen den Zehen. Ich freu mich auf den Frühling! Auf die Zeit nach dem Winterschlaf. Und nach dem Lockdown.
“Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.” (2. Mose 8, 22)
“Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit.” (Prediger 3, 1+2)

Wintergedanken 2
Wintergedanken 2

Jetzt bringt die reflektierende, glitzernde Schicht aber zumindest ein bisschen Licht ins kalte und nasse Einerlei.
Schneeflocken sind die Schmetterlinge des Winters. Hab’ ich letztens gelesen. Sie sind wie Sterne. Oder Pusteblumenschirmchen. Und wie das Glück. Man kann sie nicht fassen und vor allem nicht festhalten. Filigran. Zerbrechlich. Und vergänglich.
Bald wird der Schnee wieder zu traurigen Pfützen geschmolzen sein, dann regnet es und die Welt ist Grau in Grau. Wenn ich etwas leid bin, dann das Einerlei: immer ähnliche Tage mit Homeschooling, Homeoffice, Online-Treffen und digitalen Zusammenkünften. Die Zeiten vor dem Bildschirm nerven, es ist doch irgendwie alles dasselbe, aber das Zusammensein ohne Berührungen und echte Nähe eben nicht. Der Mensch ist ein Beziehungswesen!
Mir herrscht zu viel Gleichmaß. Ich bin gern mit meinen Liebsten zusammen. Und ich kann mich gut zu Hause beschäftigen, mir fällt immer etwas ein.
Aber mir fehlen die Höhepunkte! Und vielleicht auch die Schlusspunkte. Die kleinen Rituale, die zeigen, dass man etwas geschafft hat, die helfen, Abschied zu nehmen und in eine neue Phase überzugehen. Ja, vielleicht haben wir es damit in der Vergangenheit etwas  übertrieben, und es war heilsam, die Überdimensionierung zu realisieren. Aber ich merke, dass es mir fehlt, das Leben zu feiern. 
Ich glaube, Gott liebt Feste ebenso, die Bibel ist voll davon. Auch wenn er ein ewiger Gott ist, ist er kein König der Langeweile oder des Gleichmaßes, so finde ich. Im Gegenteil, hat er doch allem einen Rhythmus gegeben. Und deshalb bin ich froh, dass so richtig Winter ist…

Was macht ihr in der Corona-Zeit, um bewusst Höhepunkte zu setzen? Wie gestaltet ihr Feierabende, Wochenenden und Feste? Wie gelingt Euch der Unterschied?

ich schliddere und stolpere auf der Hunderunde über das Eis auf den Wegen
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